Anna und Dimitris haben griechische Eltern, sind aber in Baden-Württemberg aufgewachsen. Dann zogen die Eltern zurück nach Griechenland – im Jahr vor der Wirtschaftskrise. Und die Familie verlor in der Krise alles. Heute jobbt Dimitris in den Semesterferien beim deutschen Burger King und Anna denkt ans Auswandern. In Folge 4 von „Wie geht es Griechenland heute?“ haben wir die Deutsch-Griechen in ihrem Zuhause nahe Thessaloniki besucht.
Was soll das?
Dieser Film ist Teil einer crowdfinanzierten Recherchereise durch Griechenland, bei der wir mit Griechen aus verschiedenen Altersklassen, Schichten und Städten gesprochen haben, um zu erfahren, wie es Griechenland heute geht und was die Griechen von der Europäischen Union halten.
Alle Themen, die wir behandeln, wurden von unseren Lesern und Zuschauer vorgeschlagen. Traditionell sammeln wir Themenvorschläge aber nicht nur im Internet ein, sondern auch auf der Straße.
Als wir an der Uni in Thessaloniki zum Thema „Jugendarbeitslosigkeit“ recherchierten, lernten wir den 19-jährigen Dimitris kennen. Er erzählte uns, mit welchen Problemen er und seine Familie zu kämpfen hat und lud uns zu sich nach Hause ein.
Warum ist das wichtig?
In Deutschland herrscht teilweise ein verzerrtes Bild von der Situation in Griechenland. Denn die meisten Deutschen kennen das Land hauptsächlich aus dem Urlaub. Dort gewinnen sie den Eindruck: „Den Leuten geht’s eigentlich nicht schlechter als bei uns daheim.“ Wenn man aber mit Menschen spricht, die in beiden Ländern über Jahre gelebt haben, ergibt sich ein anderes Bild: Die Kombination aus vergleichsweise hohen Lebenshaltungskosten, geringem Einkommen und unsicheren Arbeitsverhältnissen führt dazu, dass sich viele Griechen im Dauerkrisenmodus befinden.
Auch wenn die griechische Wirtschaft sich allmählich zu erholen scheint, kommt davon bei den normalen griechischen Dorfbewohnern bislang noch wenig an. Oder wie Dimitris es ausdrückt:
„Wer einen guten Job hat, hat kein Problem. Der kann sein Kind auf eine Privatschule schicken, seine medizinischen Probleme im privaten Krankenhaus behandeln lassen und muss sich keine Sorgen um die teuren Essenseinkäufe machen. Solche Leute nehmen die Krise ganz anders war als ich. Wer keinen oder einen schlechten Job hat, ist auf die staatlichen Krankenhäuser und die staatlichen Schulen angewiesen.“
Die OECD (das ist eine internationale Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit 35 Mitgliedsstaaten) hat im November 2017 eine Studie herausgebracht, die das Leben und Lebensgefühl in Griechenland untersucht und mit der Lage in den 34 anderen Mitgliedsstaaten verglichen hat. Das Netto-Durchschnittseinkommen eines Haushalts in Griechenland ist nur etwa halb so hoch wie das durchschnittliche Einkommen in den anderen OECD-Staaten. In Deutschland hat eine Familie im Schnitt 28 000 Euro netto im Jahr zur Verfügung, in Griechenland sind es gerade mal 14 000 Euro. Gleichzeitig sind die Lebensmittelpreise nicht wesentlich günstiger als bei uns.
Dimitris Eltern kamen 2006 zurück nach Griechenland, weil sie gehört hatten, dass es dort gute Jobs gebe und weil sie sich nach ihrer Heimat sehnten. Sie fanden Arbeit, nahmen einen Kredit auf und kauften sich ein Haus. Dann kam die Krise. Erst verloren sie ihre Jobs, dann verstarb Dimitris Vater. Witwenrente erhielt die Mutter nicht, denn die gibt es in Griechenland nur für Menschen, die mindestens 55 Jahre alt sind, wenn sie verwitwen. Inzwischen hat Dimitris Mutter zwar wieder einen Job, bei dem sie etwa 700 Euro im Monat verdient. Den Kredit kann sie davon aber nicht abbezahlen und ihre drei Kinder kann sie damit auch nicht unterstützen. Und auch wenn Verwandten der Familie ab und an Geld zustecken, ist das Geld für Lebensmittel knapp. Da Nebenjobs in Griechenland wesentlich schlechter bezahlt sind als in Deutschland, arbeitet Student Dimitris also in den Semesterferien bei Burger King in Deutschland. Das Geld, das er dabei verdient, schickt er an seine Mutter.
Unsere erste Begegnung mit Dimitris seht ihr übrigens in Folge 1 von „Wie geht es Griechenland heute?“:
Und jetzt?
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