Wir stehen in der ehemaligen Wurststraße in Brasilien und gucken auf ein Fachwerkhaus. Wir sind in Blumenau, der deutschesten Stadt Brasiliens. So haben uns die Brasilianer in Rio de Janeiro und Sao Paulo unseren neuen Aufenthaltsort zumindest angekündigt. Jetzt sind wir hier angekommen, neugierig und mit einem Haufen eurer Fragen im Rucksack.
Wie stark deutsch geprägt ist diese Stadt wirklich und wieso gibt es hier überhaupt so viele Deutsche? Das wollen wir in den nächsten Tagen für und mit euch herausfinden.
Als wir ankamen, ist uns aufgefallen, dass hier – anders als in anderen brasilianischen Städten – viele Uhren hängen und es Bürgersteige aus Pflastersteinen gibt. Und natürlich sind auch die Auf-den-ersten-Blick-Fachwerkhäuser auffällig, die teilweise sogar mit Gartenzwergen dekoriert werden. Ein krasser Kontrast zur Megastadt Sao Paulo, in der wir die letzten 10 Tage verbracht haben.
Aber ist das alles nur Show, wie manche von euch meinen? Fühlen sich die Menschen hier wirklich mit Deutschland verbunden? Oder hat dieser äußere Eindruck gar nichts mit dem Leben in Blumenau zu tun?
Als wir ins Zentrum laufen, hören wir schon von weitem Bierzeltmusik, wie sie auch auf dem Oktoberfest laufen könnte. Jeden Samstag spielt die Band ‚Ralf mit Heimatmusikanten‘ ihre deutschen Schlager vor einem Kaufhaus, sozusagen auf dem Dorfplatz.
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Wir wohnen in Blumenau in einem Hostel, dessen Besitzerin tatsächlich Brigite Bier heißt (kein Scheiß!) und die sehr freundlich ist und viele gute Geschichten erzählt. Mehr davon bald.
Und unsere ersten Begegnungen mit der brasilianisch-deutschen Sprache waren verwechslungsreich. Erst liefen wir in der Hoffnung auf dunkles Körnerbrot in einen Laden namens „Super Brot Café“. Dort stellte sich aber heraus, dass die als „Brot“ bezeichnete Spezialität des Hauses eine Art Weihnachtsplätzchen sind. Es gab allerdings sehr leckere Süßwaren. Dann wollten wir einen Kaffee trinken und gingen in ein Café namens „Expresso“. Dort gab es allerdings keinen Kaffee, sondern nur Bier. Also tranken wir „eine Latte Bier“ (so heißt das hier, denn das portugiesische Wort für Dose, ‚lata‘, wurde einfach eingedeutscht), das nach deutschem Reinheitsgebot gebraut wurde. Besser als mit der deutschen Sprache kann man sich in dieser Stadt aber immer noch auf Brasilianisch. Portugiesisch bzw. brasilianischem Portugiesisch verständigen.
Über unsere Leserin Marie, die hier in Blumenau ihren Freiwilligendienst gemacht hat, haben wir schnell Leute aus Blumenau kennengelernt. Von denen haben wir erfahren, dass hier zwar schon noch einige Menschen deutsch sprechen können, gerade die Kinder und Jugendlichen die deutsche Sprache aber eher uncool finden und lieber nur portugiesisch reden, was die Älteren teilweise schade finden.
Wir wollen mehr über diese Stadt und ihre Geschichte erfahren, um euch eure vielen Fragen beantworten zu können. Eine der spannendsten und klügsten Personen der Stadt, da waren sich die Leute, die wir gefragt haben ziemlich einig, ist Alda Niemeyer. Sie ist 93 Jahre alt, hat 1945 den Bombenangriff auf Dresden überlebt, ist Facebook-Nutzerin, Ehrenbürgerin der Stadt und ehemalige Radioamateurin in Zeiten der Hochwasserkatastrophe von Blumenau.
Ihr werden wir die Fragen stellen, die bisher von euch zu Blumenau eingetrudelt sind: Wieso gibt es hier ein Oktoberfest? Warum stehen hier Fachwerkhäuser? Wieso kamen soviel Deutsche hierher? Wie war das während der 50er Jahre, als in Blumenau wie in ganz Brasilien das Deutsch-Sprechen verboten war? Leben hier Nazis? Wie hat sich die Sprache im Laufe der Zeit geändert? Soll das deutsche Image der Stadt von Problemen ablenken? Wie ist Frau Niemeyers eigene Geschichte? Frau Niemeyer empfängt uns netterweise am Montag Nachmittag zum Gespräch. Falls euch bis dahin noch Fragen einfallen, meldet euch bei uns.
Morgen machen wir einen kleinen Ausflug nach Pomerode, weil Ranice uns gerne ihre Heimat zeigen möchte. Sie unterrichtet in Pomerode an einer deutsch-brasilianischen Schule. Der Ort ist hier ganz in der Nähe und auf dem dortigen Dorfplatz soll es eine Currywurstbude geben.
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