Levi Wolffe ist Künstler aus Sachsen. Sein halber Freundeskreis und seine Familie feiern die AfD. Er sieht die Partei kritisch. Wir fragen ihn am Wochenende der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen: Warum wählen so viele rechts und wie geht er mit der politischen Kluft um?
Crowdspondent: Wie gehst du damit um, dass viele in deinem Umfeld politisch eine ganz andere Überzeugung haben als du?
Levi Wolffe: Ich finde: Es ist wichtig, dass man auch denjenigen zuhört, die Nazis wählen, um herauszufinden, wo die Probleme liegen und was man dagegen tun kann.
Außerdem habe ich immer noch die Hoffnung, dass ich Menschen davon überzeugen kann, nicht die AfD zu wählen.
Deshalb habe ich mich dafür entschieden, dass Thema in meinem Freundeskreis und in der Verwandtschaft immer wieder zu diskutieren.
Crowdspondent: Wieso wählen überhaupt so viele im Osten die AfD? Was kriegst du von deiner Familie und im Freundeskreis mit?
Levi Wolffe: Die AfD hat eine sehr einfache Rhetorik, das kommt bei vielen gut an. Was die Ampel zum Beispiel so in der Regierung treibt, verstehen viele Menschen gar nicht, weil sie nicht so redet, dass man sie gut verstehen kann. Beispiel: Ukraine-Krieg. Viele denken einfach, die Ampel ist für Krieg. Was da genau los ist, erklärt keiner verständlich.
Kritische Rückfrage von Jakob aus unserer Community: Das ist aber schon stark vereinfacht und sagt eigentlich aus, dass AfD-Wähler zu dumm sind die Politik zu verstehen, oder? Solche Thesen halte ich genau für den falschen Ansatz im Umgang mit der AfD und deren Wählern.
Levi Wolffe: Ich glaube nicht, dass AfD-Wähler zu dumm sind Politik zu verstehen, wenn das so rübergekommen ist, tut es mir leid.
Mein Punkt ist, dass die Ampelregierung eben allgemein ein bisschen verständlicher reden könnte, damit gar nicht erst Missverständnisse aufkommen, wie zum Beispiel, wenn Geld ins Ausland investiert wird. Dann heißt es „Unser Geld wird für Radwege in Peru ausgeben“ dabei ist es ja eigentlich „nur“ ein Kredit, der für den Ausbau der dortigen Infrastruktur benutzt wird.
Levi Wolffe: Außerdem spielt die AfD extrem gerne mit dem Gefühl, dass man stolz darauf ist, Ossi zu sein. Sie skandieren „Der Osten macht`s“ und davon fühlen sich viele Menschen hier im Osten angesprochen, weil sie denken: Ja! Wir im Osten sind besser!
Crowdspondent: Hat diese Unzufriedenheit mit den anderen Parteien auch damit zu tun, dass es den Menschen wirtschaftlich schlechter geht? Menschen in Ostdeutschland verdienen im Jahr im Schnitt 13 000 Euro weniger als Menschen in Westdeutschland.
Levi Wolffe: Die Menschen, die ich kenne, denen geht es finanziell nicht schlecht. Und selbst wenn es so wäre: Die AfD setzt sich für reiche Menschen ein, nicht für ärmere.
Aber rechts sein ist hier einfach Trend. Das war früher als ich jünger war auch schon so, aber durch TikTok ist es noch krasser geworden, gerade unter Jugendlichen. Wenn ich damals TikTok gehabt hätte, wäre ich auch so eine Tiktok-Glatze geworden.
Crowdspondent: Wie meinst du das genau? Wie war das bei dir damals?
Levi Wolffe: Ich habe als Jugendlicher früher Hakenkreuze gemalt und Menschen mit anderer Hautfarbe beleidigt. Zu einer schwarzen Mitschülerin habe ich zum Beispiel gesagt „Man sollte dich in die Gaskammer sperren.“ Ich wusste damals nicht mal, was eine Gaskammer ist – aber es war normal, so zu reden.
Heute bereue ich das.
In der fünften Klasse wurde man auf dem Schulhof gefragt: Rechts oder links? Wenn du links geantwortet hast, warst du ne Zecke, wenn du rechts gesagt hast, warst du cool.
Crowdspondent: Und wie ist es heute?
Levi Wolffe: Heute ist das im Prinzip genauso, nur dass dir zusätzlich auf TikTok auch noch eingeredet bekommst, dass du als Typ nur dann eine Freundin abkriegst, wenn du rechts bist.
Was auch wichtig ist: Wir hatten im Osten jahrzehntelang nur sehr wenig Menschen mit Migrationshintergrund.
Es fällt hier auf dem Land extrem auf, wenn jemand zum Beispiel eine andere Hautfarbe als weiß hat. Und wenn Menschen etwas nicht kennen, haben sie Angst davor.
Crowdspondent: Letzte Woche gab es einen Terroranschlag mit drei Toten in Solingen. Der Attentäter war ein Asylbewerber. Wie redet ihr im Freundeskreis darüber?
Levi Wolffe: Ich kriege von meinen Leuten mit, dass das Thema viele beschäftigt. Viele haben mir Nachrichten dazu geschickt. Ein Freund hat mir zum Beispiel geschrieben: „Ich habe mehr Angst vor dem IS als vor den Rechten.“
Ich habe ihm gesagt: Sowohl der IS als auch Rechtsextreme sind für mich Terroristen. Es gibt für mich keine besseren schlechten Menschen.
Und: Nur weil jemand mit Migrationshintergrund Scheiße baut, kann ich doch nicht alle mit Migrationshintergrund über einen Kamm scheren.
In dem Dorf, aus dem ich komme, gibt es zum Beispiel jetzt ein Asylheim. Die Dorfbewohner sagen über die Menschen die dort wohnen Sachen wie: „Die schmarotzen nur und sind alle kriminell.“
Komischerweise interessieren sich viele für Gewalttaten von Menschen mit Migrationshintergrund – aber für die sonstigen Opfer für Gewalttaten interessiert sich dann kaum jemand.
Crowdspondent: Wie meinst du das?
Levi Wolffe: Ich höre zum Beispiel öfter: „Wie viele Frauen müssen noch vergewaltigt werden, bis du die AfD wählst?“. Dabei werden in Deutschland täglich Frauen von weißen Männern vergewaltigt – das scheint aber den meisten ziemlich egal zu sein.
Crowdspondent: Sind schon Freundschaften von dir an der Politik zerbrochen?
Levi Wolffe: Nein. Aber es gibt Menschen, mit denen ich nicht mehr über Politik spreche, weil es nichts bringt. Zum Beispiel meinen besten Dorfkumpel.
Wenn jemand etwas Rassistisches sagt, widerspreche ich schon, aber ansonsten gibt es auch einfach Menschen, bei denen klar ist: Die haben ihre politische Meinung und ich habe meine politische Meinung.
Crowdspondent: Wie sprichst du politische Themen genau an?
Levi Wolffe: Ich rede meistens mit den Leuten so, dass ich ihnen Argumente gegen die AfD sage. Wie zum Beispiel. „Du bist alleinerziehend. Da ist die AfD nicht die beste Wahl.“ Oder: „Ich find‘s bisschen kacke, dass du ne Partei wählst die mir meine Rechte nehmen will“ – weil ich schwul bin.
Crowdspondent: Als wir dich vor 10 Jahren kennengelernt haben, hattest du noch eine Deutschlandflagge im Zimmer hängen. Wie ist das heute?
Levi Wolffe: Im Moment hängt da keine, aber ich bin immer noch Fan der Flagge und fände es auch gut, wenn sie zum Beispiel auf dem Christopher Street Day erlaubt wäre.
Denn wir dürfen die Flagge nicht den Rechten überlassen. Für mich steht sie für Einigkeit, Recht und Freiheit – und damit für unsere Demokratie.
Crowdspondent: Was glaubst du, müssten die anderen Parteien tun, um deinen Freundeskreis für sich zu gewinnen?
Levi Wolffe: Sich verständlicher ausdrücken und nicht das AfD Programm kopieren.
Sahra Wagenknecht zum Beispiel finde ich inzwischen auch etwas schwierig, aber früher fand ich sie toll. Denn die kann super reden und gut erklären.
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