Der Zero Waste Bauer: Wie geht es Griechenland heute? Folge 2

Michalis Maniadakis hat bei einer Baufirma in Athen gearbeitet. Dann schmiss er sein altes Leben hin, um Bauer auf Kreta zu werden – und um die griechische Landwirtschaft zu revolutionieren. Was der Zero Waste Landwirt verändern will und was sein Lebenswandel mit der Krise zu tun hat, seht ihr in Folge 2 von „Wie geht es Griechenland heute?“

Was soll das?

Wie unser erster Film über die Zukunftschancen junger Griechen ist dieser zweiter Film Teil unserer crowdfinanzierten Recherchereise durch Griechenland, bei der wir mit Menschen aus verschiedenen Altersklassen, Schichten und Städten gesprochen haben, um zu erfahren, wie es Griechenland heute geht. Alle Themen, die wir behandeln, kommen von euch, unseren Usern!

Diese Themenidee hat uns Makis geschickt. Er ist Grieche, wohnt aber in München und hat sich bei uns gemeldet, als er unser Crowdfunding-Video gesehen hat. Sein Vorschlag: „Trefft meinen Bruder Michalis auf Kreta! Der will die Griechen davon überzeugen, wieder selbst Obst und Gemüse anzubauen und betreibt dort einen Öko-Bauernhof.“ Wir fanden, dass dies sehr gut zu einer Frage unserer Userin Eva passt: Sie wollte nämlich wissen, wie es der griechischen Landwirtschaft geht und ob es neue Methoden zu Selbstversorgung und Solidarität gibt – von denen vielleicht auch Menschen in Deutschland lernen können.

Also sind wir auf Griechenlands größte Insel geflogen, um mit Michalis Maniadakis über seine Utopie für die Landwirtschaft zu sprechen.

Warum ist das wichtig?

In unserer ersten Folge haben wir uns mit jungen Menschen beschäftigt, die Griechenland verlassen, weil sie sich vor einer Zukunft in dem wirtschaftlich gebeutelten Land fürchten. Doch wenn die Kreativen und Klugen gehen, fehlen Leute, die die Wirtschaft wieder nach vorne bringen. Michalis ist gebildet und hat etliche Ideen und sich gerade deswegen dafür entschieden, mit seiner Familie vor Ort zu bleiben und etwas zu verändern. Seine Utopie: Jeder Grieche mit Land nutzt seinen Garten für den Gemüseanbau und zwar auf nachhaltige Weise. Dadurch würden die Menschen Geld sparen, wären unabhängiger von Konzernen und es würde der Umwelt nutzen. An dieser Idee arbeitet er trotz kleiner Hindernisse hart.

Sowohl uns als auch euch (und vor allem den griechischen Usern) war wichtig, dass wir keine einseitige Berichterstattung von oben herab betreiben a la „Seht her, die armen Griechen, die kommen nie wieder auf die Beine.“ Wir wollen ausgewogen von positiven und negativen Entwicklungen berichten. Denn es gibt ja auch positive Nachrichten: Die griechische Wirtschaft wuchs 2017 erstmals seit der Krise wieder, wenn auch auf geringem Niveau. Und Michalis Geschichte ist eine mutmachende Angelegenheit, er taugt auch für Menschen in Deutschland als Vorbild.

Außerdem ist der Öko-Landwirt Teil eines griechenlandweiten Trends: Es gibt heute 15 Prozent mehr Landwirte unter 35 und viele von ihnen experimentieren mit neuen Methoden. Auch an der Universität in Heraklion auf Kreta gibt es eine Biobauern-Bewegung. Das ist wichtig, denn die Landwirtschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten in Griechenland an Bedeutung verloren. 1995 hatte sie noch einen Anteil von acht Prozent am Bruttoinlandsprodukt, 2016 waren es laut Weltbank nur noch vier Prozent.

Was uns bei der Recherche erstaunte: Trotz guter Anbaubedingungen geben die Griechen mehr Geld (5 Millarden Euro) für importierte Nahrungsmittel aus als sie mit Exporten erwirtschaften (4 Milliarden Euro). Auch das ist eines der Themen, denen sich Ökobauer Michalis widmet. Er ist mit seiner Variante der Permakultur ein Vertreter der ökologischen Landwirtschaft. 6,5 Prozent der Agrarfläche in Griechenland werden laut Eurostat ökologisch bewirtschaftet, da ist also noch Luft nach oben (in Deutschland übrigens auch, bei uns ist der Anteil etwa gleich gering).

Es gibt in Griechenland viel mehr kleine landwirtschaftliche Betriebe als in Deutschland, trotzdem schließen sie sich seltener zu Genossenschaften zusammen. Bei den jungen Biobauern ist das anders, Michalis engagiert sich in einer sogenannten Solidarischen Landwirtschaft, die Landwirte unterstützen sich gegenseitig bei der Arbeit. Diese neue Solidarität ist eine ziemlich gute Voraussetzung für Michalis „Kleine Farm“ im Stile einer Permakultur, die er auch anderen Griechen nahebringen will.

Was ist denn überhaupt eine Permakultur ?

Michalis nutzt weder Pestizide noch Maschinen, Unkraut und wilde Gräser dürfen auf seiner Farm sprießen, Schnecken und Insekten leben. Auf den ersten Blick sieht das nach Chaos aus, dahinter steckt aber ein ausgeklügeltes System. Es nennt sich Permakultur und die Betreiber versuchen, die Kreisläufe der Natur nachzuahmen.

Das Konzept der Permakultur hat der Australier Bill Mollison entwickelt – und dafür 1981 den Alternativen Nobelpreis erhalten. Permakultur steht für „permanent agriculture“, also dauerhafte, nachhaltige Landwirtschaft. Die Idee dahinter ist, Pflanzen und Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten, um sich dieses Ökosystem zunutze zu machen. Denn in der Natur schließen sich Lebewesen zusammen, um voneinander zu profitieren. So wächst die eine Pflanze zum Beispiel im Schatten der anderen. Eine Studie der Uni Zürich hat herausgefunden, dass diese Pflanzengemeinschaften nicht nur nachhaltiger, sondern auch ertragreicher sind als Monokulturen. Sie nutzen die Ressourcen Licht, Wasser und Nährstoffe viel besser aus. Im besten Fall reguliert eine Permakultur sich selbst, der Bauer greift so wenig wie möglich ein.

Gerade für die Insel Kreta, auf der Michalis wohnt, ist das ein sinnvolles Konzept. Kreta sieht auf den ersten Blick nach einem mediterranen Agrarparadies aus. Selbst im Spätherbst hat der Tag noch viele Sonnenstunden und auf dem Weg zu Michalis Acker fuhren wir an Olivenhainen und Weinbergen vorbei. 30 Prozent des griechischen Olivenöls wird hier produziert. Das hat allerdings auch Nachteile.

Der Sommer dort ist nämlich sehr trocken, es regnet so gut wie gar nicht. Dazu kommt Boden-Erosion: Heftiger Regen im Winter kann aus den ausgetrockneten Böden die Pflanzen entwurzeln und wegschwämmen. Michalis zeigt uns beim Dreh die Folge der Erosion auf den weit entfernten Hängen am Horizont: „Seht ihr, da ist die Erde einfach weggerutscht! Und das liegt eben auch an uns Menschen.“ Er ärgert sich über die Olivenbaum-Monokultur rund um seine kleine Farm und darüber, dass seine Kollegen schwere Traktoren als Hilfsmittel verwenden. Denn auch das verschlechtert die Stabilität des Bodens. Michalis Methode der Permakultur ist besser für Kretas Hänge, Pflanzen mit dichtem Wurzelwerk verhindern nämlich Erosion.

Michalis ist außerdem Fan der Selbstversorgung: Jeder sichert mit dem, was er anbaut, den Lebenserhalt seiner Familie oder den einer kleinen Gemeinschaft. Die Bedingungen dafür sind auf Kreta gut, denn viele Griechen haben einen großen Garten und das Wetter ist gut. Michalis ärgert sich deshalb darüber, dass die meisten Griechen ihr Obst und Gemüse im Supermarkt kaufen, statt sich aus den eigenen Gärten zu ernähren. Gerade weil die Lebensmittelpreise, auf die wir in einem anderen Video noch näher eingehen werden, verhältnismäßig hoch sind.

Und jetzt?

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