Als Kind wurde Jana von ihrem Vater sexuell missbraucht. Als Jugendliche fing sie an, sich regelmäßig die Arme mit Rasierklingen aufzuschneiden. Heute wird sie in der Psychiatrie in Nürnberg wegen Borderline behandelt. Uns hat sie ihre Geschichte erzählt. Selten ist es uns so schwer gefallen, einen Film zu schneiden. Was dürfen wir weglassen? Was müssen wir erklärend hinzufügen? Wie thematisiert man jahrelange Vergewaltigungen?
TRIGGERWARNUNG: In diesem Beitrag behandeln wir Themen wie Selbstverletzung und sexuelle Gewalt!
Hier alles, was wir zu den Themen Borderline und Sexueller Missbrauch an Kindern wichtig finden und die Hintergründe zum Film:
- Sabrina hat uns damit beauftragt, dass wir uns mit „Borderline“ befassen, einer Persönlichkeitsstörung: Ihr könntet „vielleicht etwas mehr über Menschen in Erfahrung bringen, die ein Leben führen, dass häufig von Vorurteilen und Ablehnung gekennzeichnet wird, weil man diese psychische Krankheit oft äußerlich sieht, aber sich so recht damit keiner auseinander setzt.“ Zuvor hatte uns schon Karen geschrieben: „Ich denke dass das Thema Psychiatrie und psychische Krankheiten im allgemeinen, stark unterrepräsentiert sind wenn man sich z. B. anschaut wie viele Menschen betroffen sind und unter der Tabuisierung leiden.“
- Wir sind also in die (offene) Psychiatrie in Nürnberg gegangen und haben uns dort zwei Tage lang mit „Borderline“, den Ursachen und Folgen, auseinandergesetzt. Wir waren überrascht darüber, dass sowohl die Ärzte als auch die Patienten so offen mit uns gesprochen haben und wir wirklich jeden Winkel in der Psychiatrie filmen durften. Nachdem wir uns das Material noch einmal angesehen haben, haben wir entschieden, Janas Geschichte in den Mittelpunkt zu stellen. Wir danken Dr. Bofinger für die vielen Fragen, die sie uns beantwortet hat.
- Borderline tritt in verschiedenen Formen auf. Nicht jeder Borderliner verletzt sich selbst. Wie im Beitrag erwähnt gibt es auch Borderliner, deren Aggression nach außen geht. Heißt: Sie werden aggressiv, im schlechtesten Fall gewalttätig, gegenüber anderen Menschen.
- Nicht jeder, der sich selbst verletzt, hat Borderline. Hinter dem Ritzen mit scharfen oder spitzen Gegenständen kann auch eine Depression, eine Angst-, Ess- oder Zwangsstörung oder mangelndes Selbstwertgefühl stecken.
- Borderline ist unter Psychologen umstritten. Es ist auch deshalb so schwer greifbar, weil Borderline oft zusammen mit anderen psychischen Störungen und oder Süchten auftritt. Aus diesem Grund ist es auch sehr schwer, zu sagen, wie viele Menschen darunter leiden. Die Zahlen schwanken stark.
- Im Film sprechen wir mit Jana auch kurz über die Selbstmordgefahr bei Borderlinern. Ein wichtiges, aber auch schwieriges Thema. Nicht nur, weil es beklemmend ist, darüber zu sprechen, sondern auch, weil Journalisten bei der Berichterstattung über Suizide sehr vorsichtig sein sollten, bzw. unserer Meinung nach sein müssen. Denn es gibt den sogenannten „Werther-Effekt„: Bestimmte Berichte über Selbstmorde führen häufig zu Nachahmungen. Wir haben uns deshalb bei der Berichterstattung an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention orientiert. Wer sich für das Thema interessiert, dem empfehlen wir diesen Artikel von Stefan Niggemeier.
- Ursprünglich wollte uns noch eine zweite Borderline-Patientin ihre Geschichte vor der Kamera erzählen. Wir hatten bereits lange mit ihr telefoniert. Kurz vor dem Dreh hat sie uns abgesagt. Sie meinte, sie habe doch keine Zeit. Es ist nicht leicht, über seine psychische Erkrankung öffentlich zu sprechen. Wir danken Jana dafür, dass sie es trotzdem getan hat!
- Sexueller Missbrauch von Kindern: Da Jana mit uns auch über den sexuellen Missbrauch durch ihren Vater gesprochen hat, ging es plötzlich nicht mehr nur um Borderline, sondern auch um sexuellen Missbrauch an Kindern. Wir haben uns dazu entschieden, diese Szenen drin zu behalten, weil wir es wichtig finden, dass sexueller Missbrauch von Kindern thematisiert und diskutiert wird. Deshalb könnt ihr in unserer Youtube-Version eine etwas längere Fassung sehen als bei unserer Fernseh-Sendung auf EinsPlus (immer sonntags 17:15 Uhr).
- Laut polizeilicher Statistiken kennen betroffene Kinder in etwa 75 Prozent der Missbrauchsfälle den Täter. Vergewaltiger stammen häufig aus der Familie oder aus dem Bekanntenkreis. Dass Jana jahrelang von ihrem Vater vergewaltigt wurde, ist also eine klassische Missbrauchssituation. So wie Jana trauen sich viele Kinder nicht darüber zu sprechen, weil sie vom Täter stark unter Druck gesetzt werden. Betroffen von sexueller Gewalt sind übrigens Kinder aus allen sozialen Schichten und allen Altersgruppen, auch Kleinkinder und Säuglinge.
- Wenn ihr Hilfe braucht, könnt ihr euch an eine dieser Kriseninterventionsstellen wenden, die sich sowohl mit Borderline als auch mit häuslicher Gewalt auskennen.
- Die Therapie, mit der Jana behandelt wird, heißt DBT (Dialektisch-Behaviorale Therapie) und ist eine Verhaltenstherapie. Wer mehr darüber wissen will, hier gibt es dazu mehr Infos und den Kontakt zum Klinikum.
Habt ihr vielleicht auch noch ein Thema, das ihr wichtig und spannend findet? Dann meldet euch bei uns!
Wie es psychisch Erkrankten generell in Deutschland ergeht, damit haben wir uns auch auf unserer aktuellen Recherche „Was ist eigentlich los mit dir, Deutschland?“ beschäftigt (die Hintergründe dazu könnt ihr hier lesen):
Schreibe einen Kommentar