PEGIDA – Was ist los mit dir, Deutschland? Folge 14

Eines der Ziele unserer „Was ist los mit dir, Deutschland?“-Recherche ist: Mit Menschen ins Gespräch kommen, mit denen wir selten sprechen oder die ganz anderer Meinung sind als wir. Denn das habt ihr euch von uns von Anfang an gewünscht. Also haben wir versucht, mit den Teilnehmern von Pegida Dresden in eine politische Diskussion zu treten – es war nicht einfach, aber lehrreich.

Hier kommt Folge 14 von „Was ist eigentlich los mit dir, Deutschland?“:

Und das sind die Hintergründe zur Recherche:

1. Warum gerade dieses Thema?

Als wir euch nach Themen für unsere politische Recherche gefragt haben, ist eine Sache immer wieder in euren Vorschlägen aufgetaucht: Die Diskussionskultur in Deutschland. Und: Die Erwartung an uns, dass wir uns auch mit den Leuten auseinandersetzen sollen, die eine ganz andere politische Meinung haben als der Großteil unserer User. Denn viele von euch hatten das Gefühl, dass sie immer seltener mit Menschen über Politik reden, die eine andere politische Einstellung haben. Einige von euch haben sich dabei auch auf die sogenannte Filterbubble bezogen, also auf die digitale Welt, in der sie sich bewegen und in der sie von anderen Meinungen nicht sonderlich viel mitbekommen.

Wir haben versucht, diese Vorschläge unter dem Oberbegriff „Mein Weltbild – Dein Weltbild“ zu bündeln und dazu zu Beginn unserer Recherche zwei Videos produziert: Zunächst waren wir auf einer Merkel-muss-weg-Demo, dann haben wir uns mit der „Schweigenden Mehrheit“ beschäftigt, die sich gar nicht (mehr) politisch äußert. Zu beiden Themen haben wir auf Youtube und Facebook viel Feedback von Menschen mit unterschiedlichsten politischen Einstellungen bekommen. Mit dem Besuch bei PEGIDA wollten wir an diesen Versuchs des Aufbaus einer Gesprächskultur anknüpfen.

Zu Beginn unserer Recherche hat uns der „Hamburger Wahlbeobachter“ Martin Fuchs, Politikberater und Blogger, ein Interview gegeben und sich gewünscht:

„Geht doch einfach mal zu PEGIDA und fragt: „Was wünscht ihr euch denn? Was sind denn eure Lösungsvorschläge? Was wollt ihr denn von der Presse konkret?“ Gegen etwas zu protestieren ist leicht, aber ich würde mir wünschen, dass ihr ganz konkrete Themen und Fragen auch von Leuten einsammelt, die mit klassischen Medien gar nichts mehr zu tun haben. Es gibt natürlich wissenschaftliche Betrachtungen darüber, was mit denen los ist, aber ich würde mir eine Berichterstattung von unten wünschen!“

Wir haben uns vorgenommen, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. So unvoreingenommen wie möglich. Wir wollten hören, welche Gründe sie haben, auf die Demo zu gehen, welche politischen Forderungen sie haben und was sich in ihrem Leben in den vergangenen Jahren verändert hat.

Um das zu erreichen, haben wir den Künstler Levi Wolffe mitgenommen, der fast sein ganzes Leben in Dresden gewohnt hat und die Stadt und ihre Bewohner kennt. Wir haben ihn vor zwei Jahren in Dresden kennengelernt. Damals hatte er noch eine Deutschlandflagge im Zimmer hängen. Mittlerweile wohnt er in Berlin, die Flagge liegt in einem Karton unter seinem Kleiderschrank: „Es fühlt sich nicht mehr richtig an, sie aufzuhängen“, sagt er. Wir konnten ihn spontan einen Tag vor der Demo davon überzeugen, uns zu begleiten. Vielen Dank für Mitkommen, Levi!

2. Welche Schwierigkeiten traten bei der Recherche auf?

Zunächst mussten wir natürlich Leute davon überzeugen, mit uns zu sprechen. Es ist nicht gerade die angenehmste Erfahrung als Journalist PEGIDA-Teilnehmer anzuquatschen. Wir müssen aber auch sagen, dass die allermeisten Menschen höflich bis freundlich reagiert haben, wenn wir auf sie zukamen. Uns kam mit Sicherheit zu Gute, dass wir ein unabhängiges Zwei-Frauen-Team sind und nicht im Auftrag einer großen Redaktion vor Ort waren.

Dennoch wollten einige Demonstranten, die wir angesprochen haben, nicht mit uns vor der Kamera sprechen – auch nicht, wenn wir ihre Gesichter verpixelt hätten. Klar: Sie waren skeptisch, weil wir Journalisten sind und es in der Vergangenheit viele kritische Berichte über PEGIDA gab. Unserer Meinung nach zurecht, denn es ist Aufgabe der Presse, politische Bewegungen kritisch zu begleiten. Allerdings ist PEGIDA für uns auch eine Art Symbol für einen komplett verfahrenen Diskurs: Wir gegen die. Das wollten wir aufbrechen.

Ein oder zwei Menschen haben uns auch mal etwas Unfreundliches entgegen geworfen, so wurden wir einmal als „ANTIFA“ bezeichnet, ein anderes Mal als „Kinder.“ Da wir einen lösungsorientierten Ansatz verfolgen, haben wir unsere Aufmerksamkeit aber lieber auf die Menschen gerichtet, die sich uns gegenüber neutral bis positiv verhalten haben.

PEGIDA Foto 3

 

3. Was haben wir gelernt?

Sich über PEGIDA Teilnehmer lustig machen, ist sehr einfach. Sich ernsthaft ihnen auseinanderzusetzen und zu verstehen, wo der ganze Unmut herkommt und das er weit über das viel diskutierte Flüchtlingsthema hinausgeht, viel mühsamer.

Wir hatten den Eindruck, dass die meist älteren Menschen bei Pegida in Dresden durch ihre Erfahrungen in dem DDR-System dem Medien- und Staatssystem gegenüber grundsätzlich misstrauischer sind als junge oder in Westdeutschland sozialisierte Menschen und sich auch sehr viel mehr mit der Vergangenheit beschäftigen, da sie in ihrem Leben einen so gewaltigen Umbruch erlebt haben. Das ist eine Perspektive, in die wir uns zwar hineindenken können, die wir aber wahrscheinlich niemals so ganz nachvollziehen werden können, weil wir einfach nicht denselben Erfahrungshorizint haben.

Was wir in den Gesprächen ohne Kamera mehrmals gehört haben waren direkte oder indirekte Vergleiche der momentanen politischen Situation in Deutschland mit der ehemaligen DDR. Das war sowohl auf die Medien bezogen („Systempresse wie damals!“) als auch auf die Politiker („Stecken alle unter einer Decke“), als auch auf die Rolle der Demonstranten selbst, die sich ja in der Tradition der „Wir sind das Volk“-Rufer von damals sehen.

Wir waren überrascht davon, dass wir tatsächlich mit den Leuten ganz gut ins Gespräch kamen und das auch über einen längeren Zeitraum. Von außen betrachtet ist PEGIDA eine Veranstaltung von einem Haufen Unzufriedener, die laut „Volksverräter“ brüllen. Wenn man sich nach innen begibt und sich die einzelnen Geschichten der Teilnehmer anhört, kann man zumindest erahnen, was die Leute dorthin treibt und dass die Teilnehmer sich untereinander auch gar nicht unbedingt ähnlich sind und teilweise auch recht verschiedene Ansichten vertreten.

Für den älteren Herren, der seit einem Jahrzehnt mit der örtlichen Wasserbehörde kämpft, ist PEGIDA zum Beispiel die Ultima Ratio für die Äußerung seiner Unzufriedenheit gewesen. Wir standen mit dem Herrn übrigens auch noch nach dem Besuch bei PEGIDA in Kontakt, er hat uns auch überraschenderweise einen längeren Brief geschrieben, den wir auch inhaltlich noch einmal aufgreifen werden. Wir haben vor, über unsere gesammelten Erfahrungen mit der Diskussionskultur noch einen Text zu schreiben und vielleicht noch ein kleines Video zu machen, um noch mal zusammenzufassen, was wir über die politische Diskussionskultur in Deutschland gelernt haben und wie man sie verbessern könnte.

4. Was hätten wir besser machen können?

Auf unserem Youtube-Channel haben wir unter dem Pegida-Video schon ein paar Rückmeldungen bekommen. User Basti schreibt:

„Ich finde, das Fazit fällt aber zu harmlos aus. Der Typ hat immerhin von „Umvolkung“ geredet. Und hat „Islamisten“ statt „Moslems“ gesagt. Und darüber hinaus hatte er gar keine Argumente! „Was wäre denn an so einer Umvolkung so schlimm?“ Das hättet ihr mal fragen sollen!

Beim Schnitt dieses Films haben wir selbst viel darüber nachgedacht, ob und wie wir Äußerungen der Teilnehmer einordnen sollen. Wir haben uns am Ende dazu entschlossen, dass wir unseren Zuschauern zutrauen, sich selbst ein Urteil zu bilden – ohne dass wir zu allem unseren Senf dazugeben.

Wir fanden es in erster Linie wichtig, uns mit den Leute wirlich auszutauschen und fanden es gut, dass das überhaupt möglich war. Es gibt ja keinen wirklich „richtigen“ Weg, wie man in so einem Fall auftritt.

User Jeremy hatte diesen Eindruck von unserem letzten Gesprächspartner im Film:

„Der letzte Herr mit der roten Nase kam mir persönlich eigentlich recht sympathisch rüber. Ich glaube eine Art Einsamkeit/Sehnsucht nach Gemeinschaft korumpiert diese eigentlich guten Menschen. Diese Kritik ist sogar ansatzweise gerechtfertigt, nur schadet das Halbwissen diesen Leuten, weil sie im Grunde nur an der Oberfläche kratzen und nur eine Seite sehen wollen.“

Wenn ihr zum Film noch Kritik oder Fragen habt oder generell noch einen Aspekt zum Thema Diskussionskultur vermisst, dann meldet euch einfach. Schreibt uns eure Meinung einfach in die Kommentare oder auf Facebook, Snapchat (Name: Crowdspondent), Twitter, Instagram oder wo auch immer ihr im Netz Zuhause seid. Wir freuen uns über Kritik, Lob und Fragen zur Recherche. Besonders freuen wir uns über Leute, die uns auf Youtube abonnieren.

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