Film: „Alles nur Make-up“ – Rios Favelas vor der Fußball-WM

Ihr habt uns in die Favelas von Rio de Janeiro geschickt. Wir sollten für euch die Hintergründe zu den Orten recherchieren, an die immer mehr Touristen und ausländische Investoren strömen. Leser Adrian war aufgefallen, dass viele europäische Bekannte von ihm Ausflüge in Favelas unternehmen oder dort in WGs ziehen. „Die Favelas sind eine Goldgrube“ hat ein Deutscher zu uns gesagt – da war unser Film längst abgedreht. Reiche Menschen wollen in Brasilien das große Geld machen. An den Orten mit der schönen Aussicht und mit dem gewissen Nervenkitzel-Faktor. Zeitgleich versucht die Regierung, dass Image der Armenviertel aufzupolieren und die ärmsten Bewohner von dort zu vertreiben. Aber was macht das mit den Menschen, die dort noch leben?

Wir haben für euch zwei Favelas besucht. Und dabei Menschen getroffen, die sich ein Jahr vor der Fußball-WM in Brasilien darum sorgen, dass ihr Zuhause verschwindet. Gedreht haben wir in den Favelas Cantagalo und Santa Marta, den Text haben wir unter einer Bettdecke in Blumenau eingesprochen. Schaut euch weg und seht euch an, was in Brasilien los ist.

Die Fakten, Fakten, Fakten (kleine Hommage an einen fast vergessen Focus-Claim) zu der Reportage, könnt ihr euch

in unserer Vorankündigung von gestern noch einmal anhören und anschauen:

 

Wir bedanken uns sehr herzlich bei Luciano Bonoto, Eduardo Kisse, Claudia Sanen, Rafa Rezende und Rapha de Haro! Danke für eure Hilfsbereitschaft, die vielen Informationen und Kontakte und die guten Tipps.

Wenn euch die Geschichte von Maria interessiert, könnt ihr die Reportage „Andere Leute sagen, dass wir hier oben in der Scheiße leben”: In der Copacabana Favela“ lesen, die wir als Bewerbung für den Reportagepreis von „jungejournalisten.de“ geschrieben haben.

Vielleicht interessieren euch auch unsere Making-Of-Fotos aus der Favela Cantagalo.

Mehr zur Befriedung und zu Immobilienspekulationen in den brasilianischen Favelas könnt ihr in diesen guten Artikeln der FAZ und dem ZEIT Magazin nachlesen, in denen vor allem die europäische Sicht dargestellt wird. Pauline Tillmann hat zu diesem Thema für das Deutschlandradio außerdem ein kleines Radiofeature produziert.

Das Michael-Jackson-Video, das teilweise in der Favela Santa Marta, zum Großteil aber in Salvador (ja, richtig, da befinden wir uns gerade) gedreht wurde, findet ihr auf Vimeo.

Noch Fragen? Da wir euch ja mittlerweile etwas besser kennen, haben wir ein paar Antworten schon mal vorweg genommen:

 

Wer ist der Typ mit dem weißen Hut, der manchmal durchs Bild läuft?

Das ist Rapha, den wir bei der Recherche zu einem Text über die studentische Organisation „Panela de Pressao“ kennengelernt haben. Er und sein Freund Rafa haben uns in zwei Favelas begleitet. Rapha hat seinen Freiwiliigendienst in einer Favela gemacht und kannte sich deshalb insbesondere in „Cantagalo“ gut aus. Wir danken den beiden für ihre Hilfe, ebenso wie unserem Tandem-Partner Eduardo und unserem ehemaligen Mitbewohner aus Rio de Janeiro, Luciano.

Wie habt ihr recherchiert? Seid ihr einfach so in die Favelas reingegangen?

Ja. Aber wir wussten, dass die Favelas, in denen wir recherchieren, von der Polizei kontrolliert werden, und wir hatten erfahrene Begleiter dabei. Tatsächlich waren alle Menschen, die wir getroffen haben, ausgesprochen nett. Wir wurden in Cantagalo zum Beispiel spontan zu einer Geburtstagsparty eingeladen.

Wer hat eure Making-Of-Camera gehalten?

Die haben wir immer umstehenden Personen in die Hand gedrückt, die sich nicht wehren konnten. Demenstprechend schwankt auch die Qualität – aber da wir nun einmal nur zu zweit sind, ließ sich das nicht verhindern.

Woher habt ihr die Zahlen, die ihr verwendet?

Die Fakten, auf die wir uns in diesem kleinen Film beziehen, stammen von dem Zensus des Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística (IBGE). Es sind die neuesten verfügbaren Zahlen. Die Daten, die das Anuário Estadual (das Statistische Jahrbuch des Staates Rio de Janeiro) für 2011 veröffentlicht hat, weichen leicht von denen des IBGE ab. Geholfen bei der Suche nach verlässlichen Zahlen hat uns die Soziologie-Studentin Claudia Sanen (an die uns Leserin Jessica per Facebook verwiesen hat). Sie schreibt gerade ihre Diplomarbeit über die Vertreibung von Menschen aus den befriedeten Favelas.

Hintergrund: Was ist denn noch mal eine Favela und wie sind die Favelas entstanden?

Favelas sind illegale Siedlungen, in denen Menschen wohnen, die meist weniger Geld haben als der Rest der brasilianischen Bevölkerung. Die Favelas entstanden dadurch, dass Menschen aus ihren (günstigen) Wohnungen vertrieben wurden. Zum Beispiel in Rio de Janeiro Ende des 19. Jahrhunderts. Damals wurde die Stadt umgebaut, die Menschen in den billigen Mietwohnungen störten da. In der Folge suchten sie sich neuen Wohnraum und fanden ihn: Auf den Hügeln (morros) von Rio de Janeiro. Im Laufe der Jahre wurden die kleinen Siedlungen immer größer. Die Bewohner sind offiziell nicht die Besitzer ihrer Grundstücke, sondern besetzen das Gebiet sozusagen.

Heute organisieren sich die Favelas oft unabhängig von der Stadtverwaltung. Häufig sind Drogenbanden dort aktiv, da die Polizei normalerweise wenig Einfluss in den Favelas hat. Mit ihrer Befriedungspolitik will die brasilianische Regierung das verändern.

Wollt ihr sonst noch was wissen? Dann meldet euch wie immer bei uns.

Übrigens: Das Medium Magazin hat uns auf seine Liste der Top 30 JournalistInnen bis 30 Jahre des Jahres 2013 (auch als ‚Top 30 unter 30‘ bekannt) gewählt. Wir haben uns wahnsinnig gefreut, denn diese Liste ist in der Medienbranche relativ bekannt. In der gedruckten Ausgabe steht zwar fälschlicherweise, dass wir „Crowdspondentinnen“ heißen, wir freuen uns trotzdem sehr über die Auszeichnung.

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  1. Pingback: #7 Hört euch weg: Strandspezial aus dem Nordosten Brasiliens | crowdspondent

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